Eine außergewöhnliche Deutschstunde erlebten die Elftklässler des Angergymnasiums am Donnerstagmorgen. Die Theatergruppe der Jenaer Waldorfschule gastierte in der „Bühne am Anger“ mit Eugéne Ionescos Stück „Die Nashörner“. In dynamischen 60 Minuten gelang es den Darstellern, nicht nur die philosophische Grundaussage überzeugend zu vermitteln und die schwer auf die Bühne zu bringende Verwandlung von Menschen in Nashörner kreativ mit Pappkisten und Akustik zu bewältigen. Vor allem begeisterten sie unter der Regie von Wieland Lemke und Jan Baake durch lebendiges Spiel und bis in jede Faser durchdrungene Charaktere. Die wechselnde Übergabe der Hauptrolle sowie bühnenreife Monologe hielten die Zuschauer in Atem und bei Laune. Selbst vulgäre Episoden verfehlten, weil sparsam eingesetzt, ihre Wirkung nicht.
Das 1959 von dem Rumänen Ionesco verfasste Stück thematisiert die allgemeine Tendenz gesellschaftlicher Anpassung durch die Metamorphose zum ein- oder zweihörnigen Nashorn mittels eines ausgewachsenen Schnupfens. Einziger Lichtblick ist der dem Alkohol verfallene, lebensüberdrüssige Held Behringer. Auch diesem gelingt es allerdings nicht, die Dame seines Herzens vor dem selbstgewählten Übertritt in die Welt der lärmenden und drögen Dickhäuter zu bewahren. Damit siegt am Ende die ins Absurde verkehrte Logik: Was im Urwald begann endet ebenda.
Silvia Daute-Nagel